Zunächst Hut ab vor all denen, die den Mut zusammengenommen haben die gewohnte Umgebung, Familie, Freunde und das heimische Nest  zu verlassen, um ins Ausland zu ziehen und dort ihr Wissen und ihren Horizont zu erweitern sowie neue Erfahrungen zu sammeln. Egal wie schön und abenteuerreich dies zu sein scheint, es ist überhaupt nicht leicht.

Ich persönlich habe nicht lange gezögert. Nachdem ich meinen Studienabschluss in der Tasche hatte, habe ich in 10 Tagen alles erledigt und vorbereitet, was nötig war, um nach Wien zu kommen. Meine Familie und mir nahestehende Personen haben versucht mich zu überreden nicht zu gehen, einen Job in Serbien zu finden und bei Ihnen zu bleiben, was ich aber nicht wollte. Von Wien habe ich schon in der Oberstufe geträumt und ich wollte schon immer einen Tapetenwechsel, eine neue, fremde Kultur, Menschen und andere Sichtweisen kennenlernen, um auf diese Weise meine Persönlichkeit weiter auszubauen und meinen Horizont zu erweitern. In Wien habe ich mich gleich beim ersten Besuch verliebt, also tatsächlich Liebe auf den ersten Blick. Mich haben der Prunk dieser Stadt, die Schönheit, nicht nur der Hauptstraßen, sondern auch der kleinen Gässchen, bezaubert; jedes Detail hat sein eigenes Detail, alles glänzt und strahlt, jedenfalls sehe ich es so. Damals habe ich beschlossen, dass dies die Stadt sein wird, in der ich mein Glück finden werde. Und so war es – ich bin nach Wien gekommen. Wenn ich mich an den ersten Tag in Wien erinnere, bin ich mächtig stolz auf mich. Ich habe es mit Hilfe des Handys und der Navigation geschafft von der Bushaltestelle zum Studentenheim ganz alleine zu kommen. Sobald ich meine Sachen abgelegt hatte, begab ich mich den ganzen Tag auf die Suche nach einer Bank, einer Versicherungsanstalt, der Uni und all den anderen Dingen. Ich war sowohl zu Fuß unterwegs, als auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Mindestens drei Mal habe ich mich verlaufen und habe die ganze Zeit geweint. Ich kann mich daran erinnern, dass mich alle Kundenbetreuer komisch angesehen haben, da ich im Gesicht rot und leicht angeschwollen vom Weinen war. Heute blicke ich ganz anders zurück, aber damals habe ich mich sehr einsam und traurig gefühlt. Mich ließ der Gedanke nicht los, weshalb ich dies alles auf mich genommen habe mein Heimatland zu verlassen, wo ich rund um die Uhr 10 Personen an meiner Seite habe, auf die ich zählen kann, um nach Wien zu kommen, wo ich alleine bin und absolut niemanden habe. Und so war mein erster Tag. Gott sei Dank habe ich einige Leute, die ich von früher kannte, angerufen und mich mit ihnen verabredet. Zwei von ihnen haben zu dieser Zeit im gleichen Studentenheim wie ich gewohnt, sodass wir uns am selben Abend getroffen haben und sie mich mit ihren Freunden bekannt gemacht haben. Und so fing alles an. Jeden Abend habe ich neue Leute kennengelernt und so immer mehr Bekanntschaften geschlossen, sodass ich nach einem Monat sehr viele neue Gesichter kennengelernt habe und endlich begann die Zeit zu genießen. Jetzt, nach 7 Monaten in Wien, meine ich mich mehr oder weniger gut eingewöhnt zu haben. Ich habe meine Freunde, mit denen ich es Liebe Zeit zu verbringen, ich habe meinen Job, ich erlerne die deutsche Sprache, was Gott sei Dank recht gut läuft, ich genieße es das facettenreiche Angebot Wiens auszukosten und ich kann sagen, dass ich es nicht bereue hierher gekommen zu sein. Ganz im Gegenteil, denn ich denke, dass es im damaligen Augenblick keine bessere Entscheidung hätte geben können.

Wien hat mich gezwungen innerhalb weniger Monate erwachsen zu werden, zu lernen eigene Entscheidungen zu treffen, mich zu verteidigen und mich alleine durchzukämpfen, da ich niemanden habe, der hinter mir steht und mir den Rücken freihält. Wien hat mir beigebracht, dass ich nur mich selber habe und dass ich, was das Wichtigste ist, kämpfen und zielstrebig sein muss, um zu meinen Zielen zu gelangen.

Nun weiß ich, dass es Tage geben wird, an denen ich für nichts gut sein werde, an denen ich meine Familie sehen möchte, an denen ich von Menschen umgeben sein möchte, die mich lieben. Aber genauso weiß ich, dass nach solch einem Tag ein neuer Tag folgt, ein besserer Tag, an dem ich weiß, dass ich es aushalten kann, dass ich mich alleine vorkämpfen kann und dass ich meine Träume erfüllen kann. Ich war bisher noch nie so zielstrebig, noch nie so strapazierfähig, noch nie so widerstandsfähig gegenüber Niederschlägen, welche mir andere antun wollten, Verrat oder Lügen. Und ja, merkt euch sofort, niemand wird euch helfen oder besser gesagt, es wird euch nur ein kleiner Bruchteil an Menschen helfen. Deshalb rechnet nicht auf die Hilfe anderer, sondern nur auf eure eigene. Jemand wird vielleicht sagen, dass ich pessimistisch bin, aber ich bin dies nicht, denn ich schaue positiv auf das Leben und liebe Menschen, jedoch bin ich realistisch und möchte meine Erfahrungen übertragen. Die einzige Person, auf die ihr euch vollkommen verlassen könnt, seid ihr selber.

Und nun die andere Seite der ganzen Geschichte, die schönere Seite. Man, Leute, wenn ihr in Wien seid, ist das wie im Traum! Es gibt Millionen Möglichkeiten, Millionen Orte, die ihr euch anschauen könnt, und Millionen Dinge, die ihr ausprobieren könnt. Ich liebe dieses Gefühl morgens aufzuwachen und zu wissen, dass ich mich in einer der schönsten europäischen Hauptstädte befinde, dass ich an diesem Tag eine unbekannte Richtung einschlagen kann und egal, wo ich hinkomme, werde ich auf etwas Schönes, Verstecktes oder Prächtiges und Prunkvolles stoßen. Ich weiß nicht recht, ob es nur mir so geht, aber ich bin besessen von Wien, wie bereits erwähnt, war es Liebe auf den ersten Blick, und jeder Tag hier ist für mich wie ein Geschenk.

Puh, wie viele Leute ich hier kennengelernt habe und was ich alles mit ihnen erlebt habe! Diese 7 Monate in Wien sind für mich wie 5 Jahre in Serbien. Mein Leben ist viel turbulenter, der Tag vergeht im Nu, es passiert ständig was, ich entdecke unbekannte Orte, probiere verschiedene Dinge aus und mache neue Erfahrungen. Wien hat mich tatsächlich verändert, ich bin stärker, selbstständiger und stabiler als früher. Die andere Seite der Medaille ist, dass die Verführungen hier viel größer sind. Es gibt mehr Wohlstand, die Einkommen sind höher und das Leben ist verrückter. Man braucht viel Kraft, um all diesem zu widerstehen und nicht vom richtigen Weg, dem Weg zum Ziel und den Träumen, abzukommen.

Wie so oft im Leben liegt es an euch selbst, ob ihr nach Wien kommt, um hier zu leben, und wie ihr diese Chance ausnützt. Es liegt an euch, ob ihr vergisst, weshalb ihr gekommen seid, und ob ihr den Versuchungen nicht widersteht oder ihr schlägt den Weg zum Erfolg ein. Nichts im Leben ist schwarz oder weiß, es ist immer irgendwo in der Mitte, denn es gibt sowohl gute als auch schlechte Seiten. Meiner Meinung nach hat das Leben in Wien viel mehr gute und positive Seiten als schlechte. Und ich bin glücklich! Einmal hat meine Mutter zu mir gesagt, dass ich im Leben drei Dinge lieben muss, um glücklich zu sein: die Person, mit der ich lebe, meinen Job und die Stadt, in der ich wohne. Ich habe in Wien zwei von diesen Drei aufgezählten Dingen gefunden und hoffe mit der Zeit auch das dritte Glück zu finden.

Was uns allen am schwersten fällt, ist, dass unsere Familien weit weg sind. Wenn mich das Heimweh packt, denke ich an die Worte, welche ich in einer Sendung gehört habe: Die, die wir lieben, sind immer in unseren Herzen und wenn wir ganz viel Glück haben, sind sie nur einen Flug von uns entfernt. Gott sei Dank habe ich dieses Glück und es trifft auf mich zu.

Ich kämpfe weiter und baue mein Leben so gut ich kann auf. Ich gebe mein Bestes in der Hoffnung auf Eines, nämlich dass ich am Ende meines Lebens stolz zurückblicken kann mit dem Gedanken, dass ich alles Erdenkliche getan habe, um meine Träume zu verwirklichen, und dass ich nicht ein ängstliches Küken war, das in seinem Nest hocken geblieben ist, sondern eine tapfere Kämpferin bis zum Ende geblieben bin. Ich möchte mit einem Zitat von Feldmarschall Mišić zu Ende kommen, welches mich mein Leben lang begleitet: „Wer sich traut, der kann; wer keine Angst kennt, der geht weiter voran.“

Mediensektor – OSSAW,

Katarina Kovačević

Übersetzt von Tamara Nikolić